Pflege und Erhaltung der Streichinstrumente

In den vorangegangenen Aufsätzen habe ich mich hauptsächlich mit Stimmstock, Baßbalken und Steg beschäftigt, es sind die Bestandteile, denen der Musiker den größten Einfluß auf den Klang zuschreibt. An diesen Teilen jedoch kann er selbst wenig ändern, dafür sind spezielle Kenntnisse und Werkzeuge erforderlich. Überhaupt sind die Möglichkeiten, das eigene Instrument fachgerecht instandzuhalten, sehr begrenzt, man braucht auch für die einfachsten Reparaturen Spezialwerkzeug und entsprechendes Material.

Trotzdem kann der Musiker viel für sein Instrument tun; ich sehe immer wieder Geigen, die in einem schlechten Zustand sind, ohne eigentlich kaputt zu sein. Ein Auto wird in der Regel viel besser behandelt, es wird bei der geringsten Verschmutzung gewaschen und poliert, dabei werden kleinere Schäden so rechtzeitig entdeckt, daß die Reparaturen nicht teuer werden!

In einem der früheren Aufsätze habe ich ein Buch erwähnt (Roussel, Grundlagen der Geige und des Geigenbaues); ich zähle es zu den wichtigsten Veröffentlichungen über Geigenbau, weil Roussel die Geige als Ganzes sieht und dem Leser vermittelt, daß es kein einziges Stück Holz oder Metall (oder neuerdings Kunststoff) an einem Streichinstrument gibt, das für den Klang und die Ansprache unwichtig wäre. Roussel geht systematisch auf die einzelnen Bestandteile ein und erklärt ihre Bedeutung für das Funktionieren des gesamten Klangkörpers.
Wer dieses Buch gelesen hat, wird großen Respekt vor seinem Streichinstrument haben und darauf achten, daß der gute Zustand möglichst lange erhalten bleibt.

Was kann und was sollte der Musiker nun selbst machen, um sein Instrument lange zu erhalten? Ich will versuchen, ein paar praktische Tips zur Pflege zu geben, auch auf häufig vorkommende kleinere Defekte werde ich eingehen.

Ein Problem für viele Musiker ist das Aufziehen von Saiten, hier werden oft Fehler gemacht.

Auch moderne Saiten dehnen sich beim Stimmen, dabei dehnt sich natürlich auch das Teilstück zwischen Steg und Saitenhalter - die Folge ist, daß der Steg mit der Saite in Richtung Griffbrett gezogen wird. Schlimmstenfalls fällt er um, dabei kann er (häufig!) zerbrechen. Um das zu vermeiden, sollten zunächst die Stegkerben mit Graphit (Bleistift) gleitfähig gemacht werden; zusätzlich streiche ich die Saite von unten an der Stegstelle reichlich mit Graphit ein, damit sie beim Stimmen gut über die Stegkerbe gleiten kann.

Ich erlebe es bei Vorspielen oder Prüfungen immer wieder, daß das Stimmen länger dauert als das erste Vortragsstück!

Wenn die Saite nicht über den Steg gleiten kann, führt das auch dazu, daß beim Stimmen der nächsten Saite die vorige sich wieder verstimmt, weil die obere Stegkante sich mit der Saite bewegt hat.

Wenn der Steg mit seiner Oberkante nun doch etwas schräg in Richtung Griffbrett geneigt ist, kann man ihn vorsichtig in Richtung Saitenhalter zurückschieben. Man sollte dazu das Instrument auf einen Tisch legen und diese Prozedur mit beiden Händen ausführen; die eine Hand drückt mit Daumen und Zeigefinger in die richtige Richtung, die andere Hand stützt sich am Saitenhalter ab und hält dagegen, damit der Steg beim Richten nicht versehentlich umfällt.

Ebenso sollte man die Kerben am Obersattel mit Graphit gleitfähig machen; besonders Darmsaiten reißen gern an dieser Stelle, bei Kunststoffsaiten leidet zumindest die Umspinnung.

Im Wirbelkasten gibt es auch einige wichtige Dinge zu beachten:

Man wickelt die Saite immer vom Wirbelloch zur Wirbelkastenwand, muß aber darauf achten, daß ein kleiner Abstand vom Wickel zur Wand bleibt, sonst wird unweigerlich der Wirbel eingezogen. Das bewirkt, daß dieser sehr schwergängig wird, es kommt oft vor, daß auf diese Weise Wirbelkastenrisse entstehen (bei Geigen sehr häufig beim A-Wirbel).

Saitenöl oder -reiniger sollte man bei modernen Saiten vermeiden, sie verkleben die feinen Fasern des inneren Kerns. Eine Ausnahme sind Cello-Stahlsaiten: Bei einigen Exemplaren kommt es gleich nach dem Aufziehen zu leichten Nebengeräuschen, weil die Außenbewicklung nicht straff genug ist. Hier kann man mit etwas Leinöl die Geräusche mindern; man reibt mit dem Finger ein paar Tropfen auf die Saite und läßt das Öl über Nacht einziehen. Das Leinöl verdickt unter Sauerstoffeinwirkung, „verklebt" so den Saitenkern mit der Umwicklung, die Saite klingt klarer und spricht besser an.

Einen Tropfen Öl (aber hier bitte kein Leinöl, sondern am besten Auto-Motorenöl) solle man ab und zu an die Schraubgewinde der Feinstimmer geben, sie halten dann länger und lassen sich leichter drehen.

Nun zum Thema Reinigung:

Der Lack sollte für Reinigungs- und Pflegemittel aller Fabrikate tabu sein, er wird nur trocken mit einem Mikrofasertuch vom Kolophoniumstaub gereinigt, allenfalls bei frischen Schweißflecken auch mit einem leicht angefeuchteten Tuch. Alle käuflichen Reinigungsmittel enthalten Öle, die, wenn sie an schlecht zugänglichen Stellen antrocknen, nicht mehr entfernt werden können. Einige Fabrikate enthalten laut Werbung sogar Lackbestandteile!

Eine professionelle Reinigung wird mit gereinigtem Terpentinöl und etwas Wasser durchgeführt, aber dazu muß man den Steg abnehmen, denn auch Terpentin hinterläßt, wenn es nicht sorgfältig wieder entfernt wird, harzhaltige Rückstände.

Innen kann man die Geige mit etwas trockenem Reis gut reinigen (kräftig in alle Richtungen schütteln!); beim Ausschütteln durch die F-Löcher wird auch der Staub mit entfernt. Das Griffbrett könnte man mit Alkohol und anschließend ein paar Tropfen Leinöl reinigen; es dürfen aber weder Alkohol noch Leinöl an Kunststoffsaiten gelangen, und die kleinsten Spritzer Alkohol lösen den Deckenlack an. Deshalb rate ich davon ab, wenn man nicht den Steg abnehmen möchte, und das sollte man nur tun, wenn man sicher ist, daß man ihn problemlos an seinem richtigen Platz wieder aufstellen kann.

Kontrolle der Leimverbindungen:

In regelmäßigen Abständen sollte kontrollieren, ob sich irgendwo Risse gebildet oder ob sich Decke oder Boden von den Zargen gelöst haben. Deckenrisse entstehen dadurch, daß die Decke auf Grund ihrer heterogenen Struktur in der Breite schwindet, wenn sie austrocknet. Ein Befeuchter (Dampit) hilft während der Heizperiode, Schäden durch die trockene Raumluft zu vermeiden. Typische Stellen für Deckenrisse sind auf beiden Seiten des Untersattels und an den unteren F-Loch-Klappen.

Bei Celli sollte man auch auf die Rand-Einlage neben den F-Löchern achten, dort entstehen, wenn sie sich durch Trockenheit teilweise löst, Klirrgeräusche.

Trockene Luft:

Im Winter enthält die Außenluft, selbst wenn sie eine relative Feuchte von über 80 % hat, nur wenig Feuchtigkeit, denn kalte Luft kann viel weniger Wasser aufnehmen als warme.

Kommt diese kalte Luft in einen beheizten Raum, zeigt ein Hygrometer oft Werte unter 40 % an, und hier können bereits Schäden an Streichinstrumenten entstehen.

Trockenes Holz zieht sich zusammen; da alle Holzteile miteinander verleimt sind, entstehen Spannungen, und es kommt zu den oben erwähnten Schäden - offene Stellen oder Risse.

Man kann mit Befeuchtern, die in die F-Löcher gehängt werden, im Inneren des Instrumentes die Feuchtigkeit regulieren. Da die Holzteile nur außen lackiert sind, kann das Holz von innen Feuchtigkeit aufnehmen. Positiver Nebeneffekt: Klang- und Anspracheverbesserung, Holz braucht für eine gute Resonanz eine gewisse Feuchte.

Viel mehr kann der Musiker nicht selbst für sein Instrument tun.

Allerdings habe ich noch einen wichtigen Hinweis für Geiger und Bratscher:

Beim Kauf eines neuen Kastens muß man unbedingt darauf achten, daß dieser innen hoch genug ist, über dem Steg sollten wenigstens noch 5 - 8 mm Luft sein. Man kann das mit einer kleinen Kugel aus Kitt oder Kaugummi, die man auf dem Steg deponiert, überprüfen; wenn sie sich beim Schließen des Kastens verformt, kann man sehen, wie groß der Abstand zum Kastendeckel ist.

Falls der Steg am Deckel anliegt, drückt er beim Transport auf die Stimme, im schlimmsten Fall kann dann ein Riß ober- oder unterhalb der Stimme entstehen; Stimmrisse sind mit Recht sehr gefürchtet, und tatsächlich entstehen sie oft durch schlecht passende Kästen.

Berlin, im April 2009
Peter Vogler